Der
Westen hat in den vergangenen 50 Jahren über zwei Billionen Franken für
Entwicklungshilfe ausgegeben. Aber er schafft es nicht, die Betroffenen
mit Moskitonetzen und Medikamenten zu versorgen, die wenig kosten, aber
Millionen von Malaria-Todesfällen verhindern könnten. Wie ist das
möglich? Mit dieser empörten Frage eröffnet der amerikanische Ökonom
William Easterly sein Buch «Wir retten die Welt zu Tode».
Kürzlich lud die Swiss Malaria Group interessierte Parlamentarier zu einer Reise nach Tansania ein. Der ostafrikanische Staat ist einerseits stark von Malaria betroffen, andererseits seit langem ein Liebling der Entwicklungszusammenarbeit. Mit andern Worten: Am Beispiel von Tansania kann man Easterlys Frage gut untersuchen.
Während Easterlys paradoxe Feststellung also für viele Länder der Welt zutrifft, muss Tansania eher als Ausnahme gelten. Im Land mit rund 50 Millionen Einwohnern wurden seit 2004 55 Millionen imprägnierte Moskitonetze verteilt. Weitere 25 Millionen sollen in diesem und im nächsten Jahr ausgegeben werden. 91 Prozent der Haushalte verfügen über mindestens ein Netz. Zwischen 2000 und 2010 konnte die Malaria-Prävalenz halbiert werden. Sie beträgt nun im Schnitt neun Prozent. Auch die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren halbierte sich in diesem Zeitraum. Die Verfügbarkeit von Diagnosetests und Medikamenten hat sich klar verbessert.
Aber diese Fortschritte spiegeln nicht einen allgemeinen Entwicklungsschub Tansanias, sondern bleiben in gewisser Weise insulär. Malaria ist eine Armutskrankheit, sie hängt eng mit schlechten Lebens- und Wohnbedingungen zusammen. Umgekehrt hat die Krankheit negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und verstärkt die Armut. Ein Teufelskreis. Mit andern Worten: Um Malaria nachhaltig zu bekämpfen, reichen medizinische Interventionen nicht. Aber genau der erforderliche generelle Anstieg der Lebensqualität gelingt Tansania nicht.
Tansania weist zwar ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent aus. Aber etwa ein Drittel des Staatshaushalts wird durch Geber finanziert. Das Land erhält jährlich drei Milliarden Franken Hilfe aus dem Ausland. Etwa zwei Milliarden davon gehen direkt an die Regierung. Bei der Verteilung der Malarianetze übernimmt der tansanische Staat nur gerade fünf Prozent, obwohl der Hauptgeber, der Global Fund, auf ein grösseres Engagement pocht.
Das Programm ist raffiniert und simpel zugleich. Aber jedes System ist nur so stark wie sein schwächstes Element. Auch wenn die Zentrale nun über die Vorräte im ganzen Land unterrichtet ist, heisst das noch nicht, dass der Nachschub dann auch kommt. Oft liegt die Knappheit auch nicht am Mangel an Informationen, sondern schlichtweg daran, dass die zuständigen Leute die Medikamente verschwinden lassen und illegal verkaufen. Sie sind gar nicht an Effizienz und Transparenz interessiert. Eher desillusioniert zeigt die Krankenschwester auf ihren Schrank. Er enthält nicht mehr als die zehn lebenswichtigsten Medikamente. Damit sollte sie in einem Einzugsgebiet von zehntausend Einwohnern die medizinische Versorgung sicherstellen. Eigentlich ist sie völlig überfordert. Unterstützung, Hilfe oder Informationen vom Staat bekomme sie eigentlich nicht, sagt sie. Und andere Ressourcen gibt es hier praktisch nicht. Die meisten Bewohner sind Kleinbauern, die vor allem für sich selber produzieren. Das Einzige weit und breit, das hier hergestellt wird, ist eine Seife namens Mwani.
Auch in Mpamantwa ist die Armut mit Händen zu greifen. Das Dorf befindet sich nur eine halbe Autofahrstunde von der Hauptstadt Dodoma entfernt, aber es mangelt an allem. Weil selbst die einfachsten Geräte fehlen, muss der zuständige Arzt Blutproben jeweils in den nächsten Ort schicken zur Analyse. Auch Antibiotika sind Mangelware, und sogar Wasser ist ein Problem. Immerhin gibt es eine gute Nachricht: Auch an diesem Nachmittag können Krankenversicherungen abgeschlossen werden.
Mithilfe eines Smartphones können sich die Bewohner in den sogenannten Community Health Fund aufnehmen lassen. Sie bezahlen umgerechnet sechs Franken, ihr Konterfei wird aufgenommen, sie füllen ein kleines Formular aus, dann bekommen sie eine Mitgliederkarte mit einem QR-Code. Wenn sie sich das nächste Mal präsentieren, braucht der Medical Officer den Code lediglich mit seinem Handy abzulesen und erhält so Zugang zum Bild und zu den zentral gespeicherten Daten des Patienten. Damit wird mit einem Mal sowohl das Problem der Versicherung wie dasjenige der Datenspeicherung gelöst. Das Projekt wird von der Deza finanziert und vom Swiss TPH umgesetzt. Es zeigt, dass es bei Entwicklungszusammenarbeit heute oft nicht um handfeste Einzelprojekte wie Brunnenbau, sondern um weniger fassbare, aber höchst relevante Strukturänderungen geht, bei denen gerade Hightech lokalen Bedürfnissen entgegenkommen kann. Allerdings ist gerade Tansania auch ein warnendes Beispiel dafür, dass die besten internationalen Projekte an ihre Grenzen stossen, wenn die soziopolitische Entwicklung des Landes nicht Schritt hält.
Konsequenzen hatte der Skandal bis heute keine. Die Geburtenrate liegt bei 5,3 Kindern pro Frau und ist damit selbst für afrikanische Verhältnisse hoch. Auch angesichts des schlechten Niveaus der Schulen kann in den kommenden Jahren nach allgemeinen Schätzungen nur etwa ein Sechstel der Schulabgänger in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ein offener Diskurs über diese Probleme kann nicht stattfinden, weil er sofort als Kritik an der Regierung aufgefasst und unterbunden wird. Kommt hinzu, dass in Tansania wegen der Tradition des «afrikanischen Sozialismus» noch mehr als in andern afrikanischen Ländern ein Kult des Kollektivs, des Konformismus, der Verständigung, der Partei, der Autoritäten und des «Afrikanisch-Seins» gepflegt wird. Dass gemäss einer Umfrage des Pew Research Center 93 Prozent der Tansanier an Hexerei glauben , ist mehr als ein Kuriosum. Das Land ist auch berüchtigt für die okkulten Morde an Albinos.
All dies weist auf das lähmende Gewicht von überkommenen Normen, die angesichts der Modernisierung nicht verschwinden, sondern noch rigider werden und sich in einer postkolonialen Ablehnung des Westlichen äussern, zu dem auch oft generell der «kapitalistische» Privatsektor gezählt wird. Man verschanzt sich in der Wagenburg des Althergebrachten und reagiert mit Neid und Verteufelung auf diejenigen, die mehr Mut an den Tag legen.
Inzwischen zahlt die Schweiz auf jeden Fall keine Budgethilfe mehr an Tansania, und der Kampf gegen die Korruption ist zu einem Schwerpunkt geworden. Oder wie es im Deza-Fachjargon heisst: «Gouvernanz: Förderung einer Kultur der Rechenschaftsablegung und -einforderung». Als es am Abend zu einem Treffen der Schweizer Parlamentarierinnen mit ihren tansanischen Kollegen kommen soll, sieht das so aus: Als einzige Vertreterin der Opposition ist eine Frau gekommen, die kein Englisch spricht; ein Parlamentarier der Regierungspartei bedient sich am Buffet und verschwindet dann. Der Dritte schliesslich fragt: «Haben Sie keine Schweizer Uhren mitgebracht?» Nach einem ablehnenden Bescheid verliert auch er das Interesse.
Natürlich muss man den Armen helfen, auch wenn die Regierung korrupt ist. Aber man möchte ja die Herrschenden auch nicht indirekt künstlich beatmen. Und wenn eine Regierung sehr korrupt ist, dann nützen irgendwann auch die besten Projekte nichts mehr. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, wie es so schön heisst.
Quelle: NZZ am Sonntag 21.6.15
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Kürzlich lud die Swiss Malaria Group interessierte Parlamentarier zu einer Reise nach Tansania ein. Der ostafrikanische Staat ist einerseits stark von Malaria betroffen, andererseits seit langem ein Liebling der Entwicklungszusammenarbeit. Mit andern Worten: Am Beispiel von Tansania kann man Easterlys Frage gut untersuchen.
Erfolg bei Malariabekämpfung
Dank grossem Engagement insbesondere auch vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) und von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) konnten die Malaria-Zahlen in Tansania in den letzten Jahren markant gesenkt werden. Insbesondere in Ifakara ist die Schweiz seit den zwanziger Jahren aktiv. Dort steht auch das renommierte Ifakara Health Institute, ein hochrangiges Forschungszentrum für Tropenkrankheiten, das seine Existenz vor allem dem Swiss TPH und seinem umtriebigen Direktor Marcel Tanner verdankt.Während Easterlys paradoxe Feststellung also für viele Länder der Welt zutrifft, muss Tansania eher als Ausnahme gelten. Im Land mit rund 50 Millionen Einwohnern wurden seit 2004 55 Millionen imprägnierte Moskitonetze verteilt. Weitere 25 Millionen sollen in diesem und im nächsten Jahr ausgegeben werden. 91 Prozent der Haushalte verfügen über mindestens ein Netz. Zwischen 2000 und 2010 konnte die Malaria-Prävalenz halbiert werden. Sie beträgt nun im Schnitt neun Prozent. Auch die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren halbierte sich in diesem Zeitraum. Die Verfügbarkeit von Diagnosetests und Medikamenten hat sich klar verbessert.
Aber diese Fortschritte spiegeln nicht einen allgemeinen Entwicklungsschub Tansanias, sondern bleiben in gewisser Weise insulär. Malaria ist eine Armutskrankheit, sie hängt eng mit schlechten Lebens- und Wohnbedingungen zusammen. Umgekehrt hat die Krankheit negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und verstärkt die Armut. Ein Teufelskreis. Mit andern Worten: Um Malaria nachhaltig zu bekämpfen, reichen medizinische Interventionen nicht. Aber genau der erforderliche generelle Anstieg der Lebensqualität gelingt Tansania nicht.
Entwicklungshilfe
In Dar es Salaam empfängt der Gesundheitsminister Seif Seleman Rashid die Parlamentarierinnen im klimatisierten Empfangszimmer. An der Wand steht ein riesiger goldener Pokal in einer Vitrine. «Bester Mitarbeiter des Jahres 2012» steht darauf. Daneben prangt ein Bild der Chinesischen Mauer. Der Minister präsentiert einen Drei-Punkte-Plan mit dem Titel «Big Results Now!» (BRN). Es klingt alles sehr routiniert, bloss spricht er so leise, dass man kaum etwas versteht. Von Zeit zu Zeit blickt er auf sein goldenes Handy. Für kritische Fragen ist dann leider keine Zeit mehr. Der Minister benutzt gerne das Wort «commitment». Gerne hätte man gewusst, warum bei den meisten Gesundheitsprojekten der Beitrag des tansanischen Staates im Vergleich zu den ausländischen Gebern so minimal ist, jenseits der verbalen Bekenntnisse. «Entwicklungshilfe» ist heute zu einem Tabuwort geworden. Man spricht von Entwicklungszusammenarbeit. Aber oft ist es, wenn es ums Geld geht, eben doch schlicht und ergreifend Hilfe.Tansania weist zwar ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent aus. Aber etwa ein Drittel des Staatshaushalts wird durch Geber finanziert. Das Land erhält jährlich drei Milliarden Franken Hilfe aus dem Ausland. Etwa zwei Milliarden davon gehen direkt an die Regierung. Bei der Verteilung der Malarianetze übernimmt der tansanische Staat nur gerade fünf Prozent, obwohl der Hauptgeber, der Global Fund, auf ein grösseres Engagement pocht.
«SMS for Life»
Eines der grossen Probleme in Tansania ist die Verteilung der Medikamente. Sie sind zwar da, aber nie dort, wo man sie gerade braucht. Um Abhilfe zu schaffen, hat Novartis zusammen mit diversen Partnern das «SMS for Life» -Programm lanciert. Die Angestellte in der Krankenstation von Mlingotini – einer Ortschaft in der Nähe von Bagamoyo – demonstriert, wie es geht. Sie hat eine spezielle App auf ihrem Handy. Einmal pro Woche gibt sie damit eine Inventarliste der Medikamentenvorräte an die Zentrale durch. So können Engpässe rechtzeitig vermieden werden. Für jede SMS bekommt sie fünfzig Rappen gutgeschrieben.Das Programm ist raffiniert und simpel zugleich. Aber jedes System ist nur so stark wie sein schwächstes Element. Auch wenn die Zentrale nun über die Vorräte im ganzen Land unterrichtet ist, heisst das noch nicht, dass der Nachschub dann auch kommt. Oft liegt die Knappheit auch nicht am Mangel an Informationen, sondern schlichtweg daran, dass die zuständigen Leute die Medikamente verschwinden lassen und illegal verkaufen. Sie sind gar nicht an Effizienz und Transparenz interessiert. Eher desillusioniert zeigt die Krankenschwester auf ihren Schrank. Er enthält nicht mehr als die zehn lebenswichtigsten Medikamente. Damit sollte sie in einem Einzugsgebiet von zehntausend Einwohnern die medizinische Versorgung sicherstellen. Eigentlich ist sie völlig überfordert. Unterstützung, Hilfe oder Informationen vom Staat bekomme sie eigentlich nicht, sagt sie. Und andere Ressourcen gibt es hier praktisch nicht. Die meisten Bewohner sind Kleinbauern, die vor allem für sich selber produzieren. Das Einzige weit und breit, das hier hergestellt wird, ist eine Seife namens Mwani.
Auch in Mpamantwa ist die Armut mit Händen zu greifen. Das Dorf befindet sich nur eine halbe Autofahrstunde von der Hauptstadt Dodoma entfernt, aber es mangelt an allem. Weil selbst die einfachsten Geräte fehlen, muss der zuständige Arzt Blutproben jeweils in den nächsten Ort schicken zur Analyse. Auch Antibiotika sind Mangelware, und sogar Wasser ist ein Problem. Immerhin gibt es eine gute Nachricht: Auch an diesem Nachmittag können Krankenversicherungen abgeschlossen werden.
Mithilfe eines Smartphones können sich die Bewohner in den sogenannten Community Health Fund aufnehmen lassen. Sie bezahlen umgerechnet sechs Franken, ihr Konterfei wird aufgenommen, sie füllen ein kleines Formular aus, dann bekommen sie eine Mitgliederkarte mit einem QR-Code. Wenn sie sich das nächste Mal präsentieren, braucht der Medical Officer den Code lediglich mit seinem Handy abzulesen und erhält so Zugang zum Bild und zu den zentral gespeicherten Daten des Patienten. Damit wird mit einem Mal sowohl das Problem der Versicherung wie dasjenige der Datenspeicherung gelöst. Das Projekt wird von der Deza finanziert und vom Swiss TPH umgesetzt. Es zeigt, dass es bei Entwicklungszusammenarbeit heute oft nicht um handfeste Einzelprojekte wie Brunnenbau, sondern um weniger fassbare, aber höchst relevante Strukturänderungen geht, bei denen gerade Hightech lokalen Bedürfnissen entgegenkommen kann. Allerdings ist gerade Tansania auch ein warnendes Beispiel dafür, dass die besten internationalen Projekte an ihre Grenzen stossen, wenn die soziopolitische Entwicklung des Landes nicht Schritt hält.
Die Diktatur des Status quo
Eigentlich hätte Tansania gute Voraussetzungen. Es war nicht Opfer von Kriegen, ethnischen Konflikten, Tyrannen, Putschs; auch von Dürren oder andern Katastrophen blieb es verschont; es verfügt über einen Zugang zum Meer und über Rohstoffe, ist aber umgekehrt vom Ressourcenfluch vieler Erdölländer verschont. Es war seit Beginn ein Liebling der Geberländer. Trotzdem gehört es zu den ärmsten Ländern der Welt. Und den korruptesten. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass seit Beginn der Unabhängigkeit immer die gleiche Partei am Ruder war, die CCM. Letztes Jahr erschütterte der Skandal um die staatliche Elektrizitätsgesellschaft Tanesco das Land. Die selbst für tansanische Verhältnisse monströse Summe von 120 Millionen Dollar «verschwand», involviert waren hochgestellte Persönlichkeiten aus dem Energiesektor, bis hinauf zu Ministern. Mehrere Geberländer froren ihre Gelder bis zur Aufklärung der Vorgänge ein. Zu spät, meinen viele. Denn inzwischen wurden Erdgasvorkommen im Süden entdeckt, zugleich springen die Chinesen in die Bresche.Konsequenzen hatte der Skandal bis heute keine. Die Geburtenrate liegt bei 5,3 Kindern pro Frau und ist damit selbst für afrikanische Verhältnisse hoch. Auch angesichts des schlechten Niveaus der Schulen kann in den kommenden Jahren nach allgemeinen Schätzungen nur etwa ein Sechstel der Schulabgänger in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ein offener Diskurs über diese Probleme kann nicht stattfinden, weil er sofort als Kritik an der Regierung aufgefasst und unterbunden wird. Kommt hinzu, dass in Tansania wegen der Tradition des «afrikanischen Sozialismus» noch mehr als in andern afrikanischen Ländern ein Kult des Kollektivs, des Konformismus, der Verständigung, der Partei, der Autoritäten und des «Afrikanisch-Seins» gepflegt wird. Dass gemäss einer Umfrage des Pew Research Center 93 Prozent der Tansanier an Hexerei glauben , ist mehr als ein Kuriosum. Das Land ist auch berüchtigt für die okkulten Morde an Albinos.
All dies weist auf das lähmende Gewicht von überkommenen Normen, die angesichts der Modernisierung nicht verschwinden, sondern noch rigider werden und sich in einer postkolonialen Ablehnung des Westlichen äussern, zu dem auch oft generell der «kapitalistische» Privatsektor gezählt wird. Man verschanzt sich in der Wagenburg des Althergebrachten und reagiert mit Neid und Verteufelung auf diejenigen, die mehr Mut an den Tag legen.
Hilfe kann auch schaden
Laut den Berechnungen von Easterly wirken Entwicklungsgelder kontraproduktiv auf die Wirtschaft des Empfängerlandes, wenn sie mehr als acht Prozent seines Bruttoinlandprodukts betragen. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt im Falle von Budgethilfe, de facto oft eine Art Blankocheck. Diese Gelder wirken ähnlich wie Öleinnahmen, sie fördern die Korruption und eine Rentier-Mentalität bei den Regierenden. Tansania erhielt jahrelang Budgethilfe – auch von der Schweiz –, die die Acht-Prozent-Grenze bei weitem überstieg. Vielleicht geht es Tansania nicht deshalb schlecht, weil es zu wenig, sondern weil es zu viel und die falsche Hilfe erhielt.Inzwischen zahlt die Schweiz auf jeden Fall keine Budgethilfe mehr an Tansania, und der Kampf gegen die Korruption ist zu einem Schwerpunkt geworden. Oder wie es im Deza-Fachjargon heisst: «Gouvernanz: Förderung einer Kultur der Rechenschaftsablegung und -einforderung». Als es am Abend zu einem Treffen der Schweizer Parlamentarierinnen mit ihren tansanischen Kollegen kommen soll, sieht das so aus: Als einzige Vertreterin der Opposition ist eine Frau gekommen, die kein Englisch spricht; ein Parlamentarier der Regierungspartei bedient sich am Buffet und verschwindet dann. Der Dritte schliesslich fragt: «Haben Sie keine Schweizer Uhren mitgebracht?» Nach einem ablehnenden Bescheid verliert auch er das Interesse.
Natürlich muss man den Armen helfen, auch wenn die Regierung korrupt ist. Aber man möchte ja die Herrschenden auch nicht indirekt künstlich beatmen. Und wenn eine Regierung sehr korrupt ist, dann nützen irgendwann auch die besten Projekte nichts mehr. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, wie es so schön heisst.
Quelle: NZZ am Sonntag 21.6.15
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