Wenn ein Flug stark verspätet ist oder annulliert wird, lehnen Airlines Forderungen nach Entschädigung oft ab. Zu Unrecht.
Dass Airlines oft kneifen, wenn sie Passagiere annullierter, überbuchter oder stark verspäteter Flüge entschädigen müssten, ist bekannt. Erstmals zeigt nun aber eine Untersuchung im Detail, wie Fluggesellschaften auf entsprechende Anfragen reagieren. Das Onlineportal Airhelp, das Entschädigungen für betroffene Fluggäste einfordert, hat zwischen August 2013 und September 2014 2752 Anfragen statistisch erfasst und nach einzelnen Airlines ausgewertet (siehe Infografik). Die Swiss gehört nicht dazu. Die ganze «Untersuchung über die Ablehnung von Entschädigungsanfragen» ist im Blog von Getairhelp.com zu finden.
Sie stellt den Fluggesellschaften ein schlechtes Zeugnis aus: Die Hälfte aller Anfragen wurde nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von sechs Wochen beantwortet, 23 Prozent gar nicht. Wenn die Airlines reagierten, lehnten sie die Forderung in 8 Prozent der Fälle grundlos ab, obwohl die Beweislast bei ihnen liegt. Und bei 93 Prozent der abgelehnten Anfragen gaben die Unternehmen Gründe an, die nicht als «aussergewöhnliche Umstände» im Sinne der auch in der Schweiz gültigen EU-Verordnung über die Fluggastrechte anerkannt sind. Der Hintergrund: Airlines müssen ihre Passagiere je nach Flugdistanz mit 250, 400 oder 600 Euro entschädigen, sofern die Annullierung oder die mehr als dreistündige Verspätung nicht auf einen solchen Umstand zurückzuführen ist.
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«Aussergewöhnlich sind Vorkommnisse, die ausserhalb der betrieblichen Sphäre der Airline liegen und von ihr nicht zu beherrschen sind», sagt Rechtsanwalt und Reiserechtsspezialist Rolf Metz. Urteile von Schweizer Gerichten zu diesem Thema fehlen zwar bisher. Anhand zahlreicher Entscheide des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und anderer europäischer Gerichte lässt sich aber ziemlich genau sagen, was unter diesen Begriff fällt und was nicht. Hiesige Gerichte orientieren sich in der Regel an dieser Praxis. Auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), das renitente Airlines büssen kann, gibt an, dass es «europäische Gerichtsurteile mitberücksichtigt».
360 Passagiere evakuiert
Kein aussergewöhnlicher Umstand – und somit als Ausrede der Fluggesellschaft zu werten – ist in der Regel Folgendes:
- Technisches Problem. Darauf berufen sich Airlines laut der Airhelp-Studie mit Abstand am häufigsten, nämlich in einem Viertel aller abgelehnten Fälle. Bloss: Defekte wie eine kaputte Tür, Hydraulikprobleme, eine gebrochene Cockpitscheibe oder Schäden an Reifen, Fahrwerk oder Triebwerk sind für sich genommen nicht aussergewöhnlich. Auch dann nicht, wenn alle Wartungsarbeiten ordnungsgemäss ausgeführt wurden. Eine Ausnahme gilt laut Rechtsanwalt Rolf Metz nur für technische Probleme, die auf Herstellungsfehler zurückzuführen sind.
- Dienstzeitüberschreitung. Ein solcher Fall ereignete sich am 20. März 2015 am Flughafen Frankfurt. Wegen verdächtiger Gerüche an Bord wurde eine Lufthansa-Maschine nach San Francisco mit 360 Passagieren an Bord geräumt. Die Suche nach der Ursache blieb ergebnislos. Lufthansa annullierte den Flug jedoch, weil infolge der Verzögerung die zulässige Arbeitszeit der Crew überschritten worden wäre und kein Ersatzpersonal verfügbar war.
- Nachtflugverbot. Führt eine Verzögerung dazu, dass wegen eines Nachtflugverbots nicht mehr geflogen werden kann, so kommt es darauf an, ob die ursprüngliche Ursache der Verzögerung aussergewöhnlich war. Das ist etwa bei einem starken Sturm der Fall (siehe unten). Das Nachtflugverbot allein genügt als Begründung aber nicht.
- Fehlende Crew. Wenn ein Crewmitglied erkrankt ist oder wegen eines Verkehrsstaus zu spät am Flughafen eintrifft, entlastet das die Airline nicht.
- Beschädigung der Maschine durch Flughafenmitarbeiter beim Beladen.
- Kollision mit Flughafenfahrzeug.
- Ausgegangenes Enteisungsmittel.
Als aussergewöhnlicher Umstand gilt hingegen Folgendes:
- Schlechte Wetterbedingungen. Legt etwa ein Sturm den Flugbetrieb lahm, sind die Airlines von Entschädigungszahlungen befreit. Sie müssen aber alle zumutbaren Massnahmen ergreifen, damit die Passagiere trotzdem schnellstmöglich ans Ziel kommen – also zum Beispiel einen Transport per Bahn, Bus oder Mietwagen organisieren. Wenn der Sturm nur am Zielort wütet, darf die Airline den Flug nicht einfach absagen, sondern muss einen Ersatzflughafen in der Nähe in Betracht ziehen.
- Vogel-, Blitz- oder Hagelschlag. Kann eine Airline beweisen, dass ein solches Ereignis ein technisches Problem verursacht hat, muss sie nicht zahlen.
- Streik. Wenn Fluglotsen, Flug- oder Bodenpersonal die Arbeit niederlegen, so ist das ebenfalls ein Entlastungsgrund. Die Airline muss aber alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Passagiere möglichst wenig beeinträchtigt werden (Ersatzpersonal, Umbuchung auf andere Airlines). Auch hat sie dafür zu sorgen, dass der Normalbetrieb nach Streikende möglichst rasch wieder aufgenommen werden kann. Führen die Umbuchungen dazu, dass Passagiere auch am zweiten Tag nach dem Streik noch eine zehnstündige Verspätung in Kauf nehmen müssen, so hat die Airline Entschädigungen zu leisten. Dies hat der Europäische Gerichtshof im Fall eines Finnair-Fluges entschieden.
- Überlastung des Luftraums. Können Flugzeuge deswegen nicht starten oder landen, ist die Airline dafür nicht verantwortlich.
- Medizinischer Notfall an Bord, der zu einer ausserplanmässigen Landung zwingt.
- Bombendrohung, Terroranschlag.
- Sperrung des Luftraums, etwa infolge einer Vulkanaschewolke.
Sieben Stunden Wartezeit
Andreas Sernetz vom Verbraucherschutzportal Fairplane.de stellt klar, dass Ereignisse wie Vogelschlag oder ein medizinischer Notfall an Bord die Airline maximal am betreffenden Tag von Entschädigungszahlungen entbinden. Für den folgenden Tag kann sie sich nicht mehr darauf berufen. Und: «Der Anspruch auf Unterstützungs- und Betreuungsleistungen bleibt bestehen», so Sernetz. «Ab zwei Stunden Wartezeit stehen den Fluggästen Getränke und Mahlzeiten zu, ab fünf Stunden können sie vom Flug zurücktreten, wobei die Airline die kompletten Ticketkosten zurückerstatten muss.»
Ein Problem bleibt für Passagiere trotz allem bestehen: Oft erfahren sie nicht genau, weshalb sich der Flug verzögert hat. Typisch ist der dem TA vorliegende Fall eines Ehepaares, das mit der tschechischen Airline Travel Service von Zürich nach Larnaca (Zypern) fliegen wollte. Als alle Passagiere schon an Bord waren, mussten sie wieder aussteigen und sieben Stunden auf eine Ersatzmaschine warten. Somit wären pro Person 400 Euro fällig geworden. Doch das Ehepaar erhielt von der Airline auf mehrere Schreiben keine Antwort und gelangte schliesslich ans Bazl. Dieses teilte ihm ein halbes Jahr später lediglich mit, es habe das Verfahren gegen die Airline eingestellt, die Forderung könne aber noch bei einem Zivilgericht eingereicht werden. Dem Paar nützt das wenig: Es müsste dem Gericht einen Kostenvorschuss leisten, ohne die Erfolgschancen abschätzen zu können, weil es die Ursache der Verspätung nicht kennt.
In einem vergleichbaren Fall hat ein deutsches Gericht kürzlich entschieden, die Fluggesellschaft müsse den aussergewöhnlichen Umstand konkret benennen. Diese Pflicht soll nun auch in der EU-Verordnung verankert werden, die zurzeit revidiert wird. Bis es so weit ist, dürften noch einige Jahre vergehen.
So werden Sie für Annulierungen und Verspätungen entschädigt: Am Mittwoch auf rechtundkonsum.tagesanzeiger.ch
Quelle: Tages-Anzeiger 6.7.15
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Ich habe kürzlich einen Antrag auf Flugverspätung gestellt. Verwenden Sie https://flightclaim.ca/ und sie haben es ziemlich schnell gemacht, verglichen mit einer direkten Kontaktaufnahme mit der Fluggesellschaft.
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