Montag, 23. Februar 2015

Fiskalische Zielkonflikte beim Tabak




Die von der Energiesteuerinitiative anvisierte Steuerung des Verhaltens über den Preis erfolgt in anderen Sektoren bereits.
 
Die von der Energiesteuerinitiative anvisierte Steuerung des Verhaltens über den Preis erfolgt in anderen Sektoren bereits. (Bild: NZZ / Adrian Baer)

Der Staat lenkt in verschiedenen Bereichen das Verhalten via Preise. Die bei der Energiesteuer befürchteten Probleme zeigen sich da und dort bereits jetzt.
Das Ziel der grünliberalen Energiesteuerinitiative besteht darin, den Umstieg auf erneuerbare Energien und die Effizienz mit einer finanziellen Belastung nichterneuerbarer Energien zu fördern. In verschiedenen Bereichen bestehen bereits künstliche Verteuerungen, die auf eine Beeinflussung des Verhaltens abzielen – freilich in kleinerem Umfang. So ist es ein Ziel der Tabaksteuer, die mit anderen Abgaben rund 60 Prozent des Zigarettenpreises ausmacht, das Nichtrauchen zu propagieren. Eine Studie des Bundes geht davon aus, dass von 2001 bis 2007 rund 50 000 Personen mit dem Rauchen aufgehört haben, weil der Zigarettenpreis steuerlich bedingt um rund 20 Prozent stieg. Der gesundheitliche Nutzen hätte aber noch grösser sein können: Die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz fordert seit langem, dass dazu die Steuer in grösseren Schritten erhöht wird.

Heikle Nebenwirkungen

Die Erhöhung der Steuer sei eine der wirksamsten Präventionsmassnahmen überhaupt, aber die Aufschläge müssten für die Raucher stärker spürbar sein, so die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention. Anders steht es in einer Strategie der Oberzolldirektion: Steuererhöhungen hätten in kleinen Schritten und unter Berücksichtigung der Preise der Nachbarländer zu erfolgen, heisst es. Nur so liessen sich nämlich «die Tabaksteuereinnahmen steigern oder zumindest konsolidieren», und man könne den Schmuggel dämpfen sowie Einbussen durch den Einkaufstourismus vermeiden. Kein Wunder: Der Bund erwirtschaftet mit dem Tabak Einnahmen im Umfang von 2,3 Milliarden Franken, die für die AHV verwendet werden.

Die gleichen Themen schwingen in den Argumenten der Gegner der Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» mit: Wenn es zu einem Ja käme, ergäbe sich das Problem von plötzlich sehr hohen Energiepreisen, die den Verbrauch senken und damit die Bundeseinnahmen gefährden würden – immerhin hätte der Bund bei einer Energiesteuer als Ersatz für die Mehrwertsteuer das Ziel, rund 22 Milliarden Franken im Jahr zu erwirtschaften. Auch würde sich das Problem des Einkaufstourismus stellen, schliesslich würde bei einer Benzinpreiserhöhung um 1 Franken 30 vermehrt im Ausland getankt.

Zentral ist zudem die Preiselastizität – oder einfacher ausgedrückt: Wie empfindlich reagieren die Leute auf Preiserhöhungen und ändern ihr Verhalten? Eine neue Studie des ETH-Instituts für Umweltentscheidungen untersucht den Alkoholkonsum, der etwa mit einer Steuer auf Bier und Spirituosen belastet wird. Bei Bier und Wein führten demnach Preiserhöhungen nur bei Gelegenheitskonsumenten zu einer Reduktion des Konsums, nicht aber bei Risikotrinkern, wo ein Suchtverhalten bestehen kann. Die Gegner der Energiesteuerinitiative verweisen in ähnlicher Art und Weise auf Bewohner von Randregionen, die bei einem steigenden Benzinpreis keine Möglichkeit hätten, auf den öffentlichen Verkehr auszuweichen. Im Verkehrsbereich selbst entfaltet bisher vor allem die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe eine Lenkungswirkung hin zum Verlad auf die Bahn. Die Einnahmen im Umfang von 1,5 Milliarden Franken im Jahr fliessen in Bahn- und Strassenprojekte.

Die grünliberale Energiesteuer unterschiedet sich aber von allen heutigen Abgaben und Steuern mit Lenkungswirkung durch ihre Dimension – dass ein Drittel der Bundeseinnahmen plötzlich mit Lenkungszielen verknüpft würde, wäre auch international beispiellos.

Erfolgreiches Beispiel

Flexibilität bei der Festlegung der Belastung lassen Abgaben zu, deren Einnahmen an Bürger und Firmen zurückfliessen, wie es der Bundesrat in seinen Plänen für neue Energieabgaben will. Die bestehende CO2-Abgabe wurde mit einem Satz von 12 Franken pro Tonne Kohlendioxid eingeführt. Mittlerweile wurde diese Abgabe auf Brennstoffe auf 60 Franken erhöht (16 Rappen pro Liter Heizöl). Die Lenkungswirkung wird wegen des tiefen Satzes als gering eingestuft, soll aber nun laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) genauer untersucht werden. Ein Drittel der Erträge von über 800 Millionen Franken fliesst in das Gebäudeprogramm zur Förderung von Sanierungen. Der Rest wird via Krankenkassenprämien zurückerstattet, wie auch die Einnahmen der Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen (VOC).

Die Emissionen solcher schädlichen Lösungsmittel konnten laut Bafu dank der VOC-Lenkungsabgabe und neuen Normen um 40 Prozent gesenkt werden. Mit einer Entlastung von Exporten und einer Belastung von Importen kennt die VOC-Abgabe ein ähnliches Grenzausgleichsystem, wie es den Grünliberalen bei ihrer Energiesteuer vorschwebt.

Quelle: NZZ 23.2.15

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