Montag, 29. Juni 2015

Was Griechenlands Krise bedeutet



Doch was bedeutet die Maßnahme für normale Griechen, für griechische Unternehmen und für Touristen?

Banken in Griechenland bis einschließlich 6. Juli geschlossen
Mehr als eine Woche lang sind viele Banktransaktionen für Kunden von Banken in Griechenland nur sehr eingeschränkt möglich. Erst am Dienstag nächster Woche sollen die Banken wieder öffnen. Ausgenommen sind einige Filialen, die älteren Menschen ohne Zugang zum Internet ihre Rente in bar auszahlen sollen.
Verzugszinsen auf fällige Zahlungen dürfen nicht verlangt werden für die Zeit, in der die Banken geschlossen sind. Während die Banken geschlossen sind, wird auch an der Athener Börse nicht gehandelt.

Abhebungen an Geldautomaten auf 60 Euro pro Tag begrenzt
Frisches Bargeld erhalten griechische Bankkunden in dieser Woche nur in geringen Mengen: Mehr als 60 Euro pro Tag und Bankkarte dürfen sie in den nächsten acht Tagen nicht abheben. Der Betrag kann auch nicht vom einen auf den nächsten Tag aufgespart werden. Immerhin verspricht die Regierung, dass Bankautomaten, von denen viele gestern schon leer waren, bis Montagmittag wieder gefüllt sind.

Touristen können weiterhin abheben
Griechenland-Besucher müssen sich aktuell nicht sorgen: Wer eine ausländische Kredit- oder EC-Karte nutzt, ist von den Kontrollen ausgenommen. Sie kommen allerdings nicht an ihr Geld, wenn die Automaten leer sind. Das Auswärtige Amt rät deutschen Touristen deshalb, "sich vor der Reise mit ausreichend Bargeld zu versorgen".

Überweisungen ins Ausland brauchen Genehmigung
Um einen weiteren Abfluss von Kapital ins Ausland zu verhindern, müssen Überweisungen auf ausländische Konten von einer Kommission innerhalb des Finanzministeriums genehmigt werden.
Die Kommission wird nur Überweisungen erlauben, die sie für notwendig hält, um "ein öffentliches oder soziales Interesse zu schützen". Dazu zählen etwa Ausgaben für Medikamentenimporte. Für das normale Importgeschäft wird es dagegen offenbar keine Ausnahmen geben. Unternehmen mit internationalen Zulieferern könnte das in Schwierigkeiten bringen.
Der Zahlungsverkehr im Inland ist nicht betroffen: Online-Überweisungen im Inland können weiterhin in jeder Höhe vorgenommen werden. Das gilt ausdrücklich auch für Gehalts- und Pensionszahlungen. Auch in Läden soll man weiterhin problemlos mit Kredit- oder EC-Karten bezahlen können.

Verstößt eine Bank gegen eine der Regeln, muss sie bis zu zehn Prozent des Überweisungsbetrags als Strafe zahlen. Finanzminister Gianis Varoufakis kann die Regeln jederzeit ändern, etwa Zeiträume verkürzen oder das Limit für Abhebungen verändern. 

Quelle: Spiegel 29.6.15


Und zu den Auswirkungen für die Schweiz: Warum wurden die griechischen Banken geschlossen und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt?
Hier lag immer die unmittelbar grösste Gefahr. Wie die Zahlen der Bank of Greece – einem Ableger des europäischen Zentralbankensystems – zeigen, sind die Einlagen auf ihren Konten zwischen Dezember 2014 und Mai 2015 ­bereits um 35 Milliarden Euro geschrumpft. Gemäss Insidern hat die Flucht von den Konten in den letzten Wochen und Tagen noch dramatisch zugenommen, so sollen bis zu 1,5 Milliarden pro Tag abgehoben worden sein. Lange Schlangen vor Geldautomaten selbst im Parlamentsgebäude Griechenlands vom Samstag liessen vermuten, dass nach den jüngsten Entwicklungen ein Ansturm auf die Banken am Montag bevorstehen würde. Der Regierung ist daher letztlich nicht viel anderes übrig geblieben, als die Banken ab dem Montag zu schliessen und den freien Kapitalverkehr zu beschränken.


Wie verhält sich die Europäische Zentralbank (EZB)?
Dass die griechischen Banken nicht bereits kollabiert sind, verdanken sie der EZB. Schon seit Februar können die Banken zwar nicht mehr auf dem üblichen Weg Kredite von ihr beziehen. Aber Notkredite zu einem höheren Zins (ELA) hat die Notenbank bisher weiter gewährt. In den letzten Tagen entschied sie im Tagesrhythmus darüber, ob dieser für die Banken entscheidende Kreditkanal geöffnet bleibt. Innerhalb der EZB ist diese Unterstützung hoch umstritten, weil die Notenbank damit ein hohes Risiko eingeht. Der Chef der Deutschen Bundesbank, selbst Mitglied im obersten EZB-Rat, hat sich klar für einen Abbruch ausgesprochen. Dennoch hat die Mehrheit dieses Entscheidungsgremiums auch am Sonntag, nach den dramatischen Entwicklungen vom Samstag, sich dafür ausgesprochen, diesen Geldhahn offen zu lassen. Allerdings hat die EZB die bis dahin auf maximal 89?Milliarden Euro festgelegte Summe nicht weiter erhöht. Dieser Entscheid hat die Kapitalverkehrskontrollen und die Schliessung der Banken unumgänglich gemacht.


Welche Bedeutung hat die Einschränkung des Kapitalverkehrs?
Über die Schliessung der Banken hinaus sollen laut ersten Berichten Banküberweisungen ins Ausland nur noch beschränkt möglich sein, ebenso wie Bezüge an Geldautomaten. Checks sollen nicht mehr eingelöst werden können. Griechische Banken bleiben heute zu. Auch die Börse bleibt geschlossen. Noch bis zum Wochenende hat die griechische Regierung betont, solche Schritte seien nicht geplant. Selbst am Sonntag versicherte dies Finanzminister Varou­fakis per Twitter. Am Abend wurden die Massnahmen dann angekündigt. Der Schritt dürfte die Unsicherheit in Griechenland stark anheizen, und es ist zu erwarten, dass jetzt alle verbleibenden legalen und illegalen Möglichkeiten genutzt werden, um Kapital ins Ausland zu schaffen. Das wird die Lage im Land weiter drastisch verschärfen.


Ist Griechenland nun bankrott?
Nach den jüngsten Entwicklungen vom Wochenende kann Griechenland nicht mehr mit Zahlungen aus dem Rettungsfonds rechnen. Damit ist es unwahrscheinlich geworden, dass das Land die am Dienstag fällige Zahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von 1,55 Milliarden Euro auslösen kann. Ein Zahlungsausfall gegenüber dem IWF bedeutet aber nicht automatisch einen generellen Staatsbankrott. Die Kredite der Euroländer über den Rettungsfonds müssen erst in vielen Jahren zurückbezahlt werden. Die Euroländer haben wenig Interesse daran, das Geld frühzeitig zurückzufordern, da sie es aktuell ohnehin nicht erhalten würden und abschreiben müssten. Andernfalls bleibt es in den Büchern und es kann weiter vorgegeben werden, dass Griechenland dereinst zurückzahlen wird. Ein Zahlungsausfall droht allerdings auch gegenüber der EZB. Ihr müsste Griechenland am 20. Juli 3,5 Milliarden Euro zurückzahlen, im August weitere 3?Milliarden.


Folgt jetzt automatisch ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone?
Nein. Ein solcher Austritt ist in den Vertragswerken der Währungsunion ohnehin nicht vorgesehen. Selbst die Gläubiger haben den Verbleib des Landes im Euroraum betont. Akute Geldnot und eine verschärfte Wirtschaftskrise in Griechenland würde das Land allerdings früher oder später zu einem Austritt zwingen. Angesichts der fehlenden Regelungen dazu wäre das Land und seine Unternehmen in der Folge mit einer Unzahl von Rechtsfällen konfrontiert, vor allem von in- und ausländischen Gläubigern, die auf einer Bezahlung in Euro bei eingegangenen Verträgen beharren. Immerhin glauben einige Ökonomen, dass Griechenland mit einer schwächeren eigenen Währung mit der Zeit wieder prosperieren könnte, weil es so seine Exporte und damit vor allem den Tourismus konkurrenzfähiger anbieten kann.


Kann Griechenland eine zweite Währung einführen?
Solange Griechenland in der Währungsunion verbleibt, ist ihm eine Zweitwährung untersagt. Wahrscheinlicher ist, dass Griechenland nach dem Schliessen des Kapitalverkehrs und angesichts der absehbaren Geldknappheit Schuldscheine der Regierung als Zahlungsmittel einführt – vor allem um ihre inländischen Verpflichtungen und Löhne zu begleichen. Doch weil kaum jemand dem Versprechen auf solchen Schatzscheinen glauben würde, dass die Regierung den aufgedruckten Betrag künftig gänzlich bezahlen kann, würden diese mit ­einem starken Abschlag getauscht. Die Kaufkraft des Euro würde gemessen an diesen Schatzscheinen stark zunehmen, weshalb die Währung erst recht gehortet würde. Die offiziellen Kurse, Preise und Löhne hätten dann wenig Bedeutung, und die Schwarzmärkte würden florieren. Die Geldknappheit und die Rechtsunsicherheit würde die Wirtschaft noch tiefer in die Krise stürzen.


Was droht der Schweiz?
Die Schulden von Griechenland etwa bei Schweizer Banken oder Unternehmen sind gering. Das Gleiche gilt für die direkten Handelsbeziehungen. Gefahr droht dagegen von der Wirkung auf den Franken durch die gestiegenen Unsicherheiten. Die SNB selbst hat auf das Risiko einer weiteren Aufwertung durch eine verschärfte Griechenland-Krise hingewiesen. Der Franken ist für die Schweizer Exportindustrie bereits jetzt zu hoch bewertet, und die Möglichkeiten der Nationalbank zur Schwächung sind beschränkt.


Wie werden die internationalen Kapitalmärkte reagieren?
Am Montag ist an den Aktien und Anleihenmärkten mit Kursverlusten zu rechnen. Weil die Schulden Griechenlands kaum mehr bei ausländischen Banken lagern und weil die EZB Verwerfungen an den Märkten mit Geldspritzen entgegenwirken kann, sind allerdings viele überzeugt, dass sich solche negativen Folgewirkungen dennoch in Grenzen halten und vorübergehend sind.


Quelle: Tages-Anzeiger 29.6.15

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Montag, 22. Juni 2015

Darling-Land der Gebernationen

Tansania ist ein Liebling der Entwicklungszusammenarbeit. Auch die Schweiz engagiert sich seit vielen Jahren, vor allem im Gesundheitsbereich. Aber das Land versinkt zunehmend in lähmender Korruption - von David Signer, Dar es Salaam.



Seit 2004 wurden in Tansania 55 Millionen imprägnierte Moskitonetze verteilt. Sie schützen vor Malariamücken.
Seit 2004 wurden in Tansania 55 Millionen imprägnierte Moskitonetze verteilt. Sie schützen vor Malariamücken. (Bild: Tony Karumba / AFP)

Der Westen hat in den vergangenen 50 Jahren über zwei Billionen Franken für Entwicklungshilfe ausgegeben. Aber er schafft es nicht, die Betroffenen mit Moskitonetzen und Medikamenten zu versorgen, die wenig kosten, aber Millionen von Malaria-Todesfällen verhindern könnten. Wie ist das möglich? Mit dieser empörten Frage eröffnet der amerikanische Ökonom William Easterly sein Buch «Wir retten die Welt zu Tode».

Kürzlich lud die Swiss Malaria Group interessierte Parlamentarier zu einer Reise nach Tansania ein. Der ostafrikanische Staat ist einerseits stark von Malaria betroffen, andererseits seit langem ein Liebling der Entwicklungszusammenarbeit. Mit andern Worten: Am Beispiel von Tansania kann man Easterlys Frage gut untersuchen.

 

Erfolg bei Malariabekämpfung

Dank grossem Engagement insbesondere auch vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) und von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) konnten die Malaria-Zahlen in Tansania in den letzten Jahren markant gesenkt werden. Insbesondere in Ifakara ist die Schweiz seit den zwanziger Jahren aktiv. Dort steht auch das renommierte Ifakara Health Institute, ein hochrangiges Forschungszentrum für Tropenkrankheiten, das seine Existenz vor allem dem Swiss TPH und seinem umtriebigen Direktor Marcel Tanner verdankt.

Während Easterlys paradoxe Feststellung also für viele Länder der Welt zutrifft, muss Tansania eher als Ausnahme gelten. Im Land mit rund 50 Millionen Einwohnern wurden seit 2004 55 Millionen imprägnierte Moskitonetze verteilt. Weitere 25 Millionen sollen in diesem und im nächsten Jahr ausgegeben werden. 91 Prozent der Haushalte verfügen über mindestens ein Netz. Zwischen 2000 und 2010 konnte die Malaria-Prävalenz halbiert werden. Sie beträgt nun im Schnitt neun Prozent. Auch die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren halbierte sich in diesem Zeitraum. Die Verfügbarkeit von Diagnosetests und Medikamenten hat sich klar verbessert.

Aber diese Fortschritte spiegeln nicht einen allgemeinen Entwicklungsschub Tansanias, sondern bleiben in gewisser Weise insulär. Malaria ist eine Armutskrankheit, sie hängt eng mit schlechten Lebens- und Wohnbedingungen zusammen. Umgekehrt hat die Krankheit negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und verstärkt die Armut. Ein Teufelskreis. Mit andern Worten: Um Malaria nachhaltig zu bekämpfen, reichen medizinische Interventionen nicht. Aber genau der erforderliche generelle Anstieg der Lebensqualität gelingt Tansania nicht.

 

Entwicklungshilfe

In Dar es Salaam empfängt der Gesundheitsminister Seif Seleman Rashid die Parlamentarierinnen im klimatisierten Empfangszimmer. An der Wand steht ein riesiger goldener Pokal in einer Vitrine. «Bester Mitarbeiter des Jahres 2012» steht darauf. Daneben prangt ein Bild der Chinesischen Mauer. Der Minister präsentiert einen Drei-Punkte-Plan mit dem Titel «Big Results Now!» (BRN). Es klingt alles sehr routiniert, bloss spricht er so leise, dass man kaum etwas versteht. Von Zeit zu Zeit blickt er auf sein goldenes Handy. Für kritische Fragen ist dann leider keine Zeit mehr. Der Minister benutzt gerne das Wort «commitment». Gerne hätte man gewusst, warum bei den meisten Gesundheitsprojekten der Beitrag des tansanischen Staates im Vergleich zu den ausländischen Gebern so minimal ist, jenseits der verbalen Bekenntnisse. «Entwicklungshilfe» ist heute zu einem Tabuwort geworden. Man spricht von Entwicklungszusammenarbeit. Aber oft ist es, wenn es ums Geld geht, eben doch schlicht und ergreifend Hilfe.

Tansania weist zwar ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent aus. Aber etwa ein Drittel des Staatshaushalts wird durch Geber finanziert. Das Land erhält jährlich drei Milliarden Franken Hilfe aus dem Ausland. Etwa zwei Milliarden davon gehen direkt an die Regierung. Bei der Verteilung der Malarianetze übernimmt der tansanische Staat nur gerade fünf Prozent, obwohl der Hauptgeber, der Global Fund, auf ein grösseres Engagement pocht.

 

«SMS for Life»

Eines der grossen Probleme in Tansania ist die Verteilung der Medikamente. Sie sind zwar da, aber nie dort, wo man sie gerade braucht. Um Abhilfe zu schaffen, hat Novartis zusammen mit diversen Partnern das «SMS for Life» -Programm lanciert. Die Angestellte in der Krankenstation von Mlingotini – einer Ortschaft in der Nähe von Bagamoyo – demonstriert, wie es geht. Sie hat eine spezielle App auf ihrem Handy. Einmal pro Woche gibt sie damit eine Inventarliste der Medikamentenvorräte an die Zentrale durch. So können Engpässe rechtzeitig vermieden werden. Für jede SMS bekommt sie fünfzig Rappen gutgeschrieben.

Das Programm ist raffiniert und simpel zugleich. Aber jedes System ist nur so stark wie sein schwächstes Element. Auch wenn die Zentrale nun über die Vorräte im ganzen Land unterrichtet ist, heisst das noch nicht, dass der Nachschub dann auch kommt. Oft liegt die Knappheit auch nicht am Mangel an Informationen, sondern schlichtweg daran, dass die zuständigen Leute die Medikamente verschwinden lassen und illegal verkaufen. Sie sind gar nicht an Effizienz und Transparenz interessiert. Eher desillusioniert zeigt die Krankenschwester auf ihren Schrank. Er enthält nicht mehr als die zehn lebenswichtigsten Medikamente. Damit sollte sie in einem Einzugsgebiet von zehntausend Einwohnern die medizinische Versorgung sicherstellen. Eigentlich ist sie völlig überfordert. Unterstützung, Hilfe oder Informationen vom Staat bekomme sie eigentlich nicht, sagt sie. Und andere Ressourcen gibt es hier praktisch nicht. Die meisten Bewohner sind Kleinbauern, die vor allem für sich selber produzieren. Das Einzige weit und breit, das hier hergestellt wird, ist eine Seife namens Mwani.

Auch in Mpamantwa ist die Armut mit Händen zu greifen. Das Dorf befindet sich nur eine halbe Autofahrstunde von der Hauptstadt Dodoma entfernt, aber es mangelt an allem. Weil selbst die einfachsten Geräte fehlen, muss der zuständige Arzt Blutproben jeweils in den nächsten Ort schicken zur Analyse. Auch Antibiotika sind Mangelware, und sogar Wasser ist ein Problem. Immerhin gibt es eine gute Nachricht: Auch an diesem Nachmittag können Krankenversicherungen abgeschlossen werden. 

Mithilfe eines Smartphones können sich die Bewohner in den sogenannten Community Health Fund aufnehmen lassen. Sie bezahlen umgerechnet sechs Franken, ihr Konterfei wird aufgenommen, sie füllen ein kleines Formular aus, dann bekommen sie eine Mitgliederkarte mit einem QR-Code. Wenn sie sich das nächste Mal präsentieren, braucht der Medical Officer den Code lediglich mit seinem Handy abzulesen und erhält so Zugang zum Bild und zu den zentral gespeicherten Daten des Patienten. Damit wird mit einem Mal sowohl das Problem der Versicherung wie dasjenige der Datenspeicherung gelöst. Das Projekt wird von der Deza finanziert und vom Swiss TPH umgesetzt. Es zeigt, dass es bei Entwicklungszusammenarbeit heute oft nicht um handfeste Einzelprojekte wie Brunnenbau, sondern um weniger fassbare, aber höchst relevante Strukturänderungen geht, bei denen gerade Hightech lokalen Bedürfnissen entgegenkommen kann. Allerdings ist gerade Tansania auch ein warnendes Beispiel dafür, dass die besten internationalen Projekte an ihre Grenzen stossen, wenn die soziopolitische Entwicklung des Landes nicht Schritt hält.

 

Die Diktatur des Status quo

Eigentlich hätte Tansania gute Voraussetzungen. Es war nicht Opfer von Kriegen, ethnischen Konflikten, Tyrannen, Putschs; auch von Dürren oder andern Katastrophen blieb es verschont; es verfügt über einen Zugang zum Meer und über Rohstoffe, ist aber umgekehrt vom Ressourcenfluch vieler Erdölländer verschont. Es war seit Beginn ein Liebling der Geberländer. Trotzdem gehört es zu den ärmsten Ländern der Welt. Und den korruptesten. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass seit Beginn der Unabhängigkeit immer die gleiche Partei am Ruder war, die CCM. Letztes Jahr erschütterte der Skandal um die staatliche Elektrizitätsgesellschaft Tanesco das Land. Die selbst für tansanische Verhältnisse monströse Summe von 120 Millionen Dollar «verschwand», involviert waren hochgestellte Persönlichkeiten aus dem Energiesektor, bis hinauf zu Ministern. Mehrere Geberländer froren ihre Gelder bis zur Aufklärung der Vorgänge ein. Zu spät, meinen viele. Denn inzwischen wurden Erdgasvorkommen im Süden entdeckt, zugleich springen die Chinesen in die Bresche. 

Konsequenzen hatte der Skandal bis heute keine. Die Geburtenrate liegt bei 5,3 Kindern pro Frau und ist damit selbst für afrikanische Verhältnisse hoch. Auch angesichts des schlechten Niveaus der Schulen kann in den kommenden Jahren nach allgemeinen Schätzungen nur etwa ein Sechstel der Schulabgänger in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ein offener Diskurs über diese Probleme kann nicht stattfinden, weil er sofort als Kritik an der Regierung aufgefasst und unterbunden wird. Kommt hinzu, dass in Tansania wegen der Tradition des «afrikanischen Sozialismus» noch mehr als in andern afrikanischen Ländern ein Kult des Kollektivs, des Konformismus, der Verständigung, der Partei, der Autoritäten und des «Afrikanisch-Seins» gepflegt wird. Dass gemäss einer Umfrage des Pew Research Center 93 Prozent der Tansanier an Hexerei glauben , ist mehr als ein Kuriosum. Das Land ist auch berüchtigt für die okkulten Morde an Albinos.

All dies weist auf das lähmende Gewicht von überkommenen Normen, die angesichts der Modernisierung nicht verschwinden, sondern noch rigider werden und sich in einer postkolonialen Ablehnung des Westlichen äussern, zu dem auch oft generell der «kapitalistische» Privatsektor gezählt wird. Man verschanzt sich in der Wagenburg des Althergebrachten und reagiert mit Neid und Verteufelung auf diejenigen, die mehr Mut an den Tag legen.

 

Hilfe kann auch schaden

Laut den Berechnungen von Easterly wirken Entwicklungsgelder kontraproduktiv auf die Wirtschaft des Empfängerlandes, wenn sie mehr als acht Prozent seines Bruttoinlandprodukts betragen. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt im Falle von Budgethilfe, de facto oft eine Art Blankocheck. Diese Gelder wirken ähnlich wie Öleinnahmen, sie fördern die Korruption und eine Rentier-Mentalität bei den Regierenden. Tansania erhielt jahrelang Budgethilfe – auch von der Schweiz –, die die Acht-Prozent-Grenze bei weitem überstieg. Vielleicht geht es Tansania nicht deshalb schlecht, weil es zu wenig, sondern weil es zu viel und die falsche Hilfe erhielt.

Inzwischen zahlt die Schweiz auf jeden Fall keine Budgethilfe mehr an Tansania, und der Kampf gegen die Korruption ist zu einem Schwerpunkt geworden. Oder wie es im Deza-Fachjargon heisst: «Gouvernanz: Förderung einer Kultur der Rechenschaftsablegung und -einforderung». Als es am Abend zu einem Treffen der Schweizer Parlamentarierinnen mit ihren tansanischen Kollegen kommen soll, sieht das so aus: Als einzige Vertreterin der Opposition ist eine Frau gekommen, die kein Englisch spricht; ein Parlamentarier der Regierungspartei bedient sich am Buffet und verschwindet dann. Der Dritte schliesslich fragt: «Haben Sie keine Schweizer Uhren mitgebracht?» Nach einem ablehnenden Bescheid verliert auch er das Interesse.

Natürlich muss man den Armen helfen, auch wenn die Regierung korrupt ist. Aber man möchte ja die Herrschenden auch nicht indirekt künstlich beatmen. Und wenn eine Regierung sehr korrupt ist, dann nützen irgendwann auch die besten Projekte nichts mehr. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, wie es so schön heisst.

Quelle: NZZ am Sonntag 21.6.15

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Montag, 15. Juni 2015

Spezieller Abstimmungskommentar




Quelle: Tages-Anzeiger 15.6.15

7-W-Fragen und zusätzliches W

Beim Verfassen eines journalistischen, aber auch eines alltäglichen Textes, ist es sinnvoll, jeweils (nach Möglichkeit) alle folgenden Fragen zu beantworten:

Wer?  
Wir haben ein Stadtzürcher Quartier besucht, oder:
In Zürichs Westen tut sich was.

Was?
Ein Quartier hat sich in Zürich verändert wie kein anderes in den letzten Jahren.


Wann?
Der Besuch fand an einem Montag am Vorabend statt.


Wo?
Wie der Name sagt geht es zum den Westen von Zürich.


Wie?
Mit dem Tram hin, zu Fuss retour bis zur Kunsthochschule.


Warum?
Im Rahmen des ABU-Kurses, um auch die Entwicklung Zürichs und des Stadtraums kennen zu lernen.


Wozu? 
Einsicht gewinnen in die Stadtentwicklung.

Zur Reihenfolge: Das Wichtigste zuerst!

Weitere hilfreiche Elemente, um einen sinnvollen Text zu liefern, sind Titel, Lead (Einführung), Zwischentitel, Fazit / Schluss.

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Sonntag, 14. Juni 2015

So haben Zürcher abgestimmt

Abgelehnt wurden folgende Vorlagen:

Abgewiesene Asylbewerber und Sans-Papiers haben im Kanton Zürich auch künftig bei Härtefallgesuchen eine beratende Kommission an ihrer Seite. Das Stimmvolk lehnte die Abschaffung der Härtefallkommission mit 68,2 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab. Als einzige Gemeinde im Kanton Zürich sagte Hagenbuch mit 53,7 Prozent Ja zu einer Abschaffung der Kommission. Die Gemeinde hatte im vergangenen Jahr wegen Kosten für eine Flüchtlingsfamilie aus Eritrea für Schlagzeilen gesorgt.

Die Höhe der Gebühren im Kanton Zürich legen auch künftig Kantonsregierung und die Exekutiven der Gemeinden fest. Die Stimmberechtigten lehnten mit einem Nein-Anteil von 59,4 Prozent bzw. 64,3 Prozent die zwei Gebührenvorlagen für den Kanton respektive für die Gemeinden ab. Mit 201'201 Nein- zu 137'606 Ja-Stimmen waren sie gegen die Änderung der Kantonsverfassung. Nur Oberembrach, Winkel, Bachs, Oetwil a.d.L. und Uitikon sprachen sich für die Vorlage aus.

Angenommen wurden folgende Vorlagen:

Die ZürcherInnen wollen, dass das kommunale Velonetz ausgebaut wird. Sie haben sowohl zur Velo-Initiative als auch zu deren Gegenvorschlag mehrheitlich ein Ja in die Urne gelegt – auch wenn das Resultat der Initiative knapp ausfiel: 50,9% (47'804 Ja-Stimmen) zu 49,1% (46'036 Nein-Stimmen). Massgebend war darum die Stichfrage. Diese liess keine Zweifel offen, der Gegenvorschlag machte das Rennen: 56% sprachen sich für die stadträtliche Alternative aus, 44% legten ein Ja für die Initiative in die Urne. Damit sprachen die Zürcher einen Rahmenkredit von 120 statt 200 Millionen Franken, wie dies die Initianten gefordert hatten. Zudem wird der Betrag auch für Veloabstellplätze benötigt und sich auf die kommunalen Routen beschränken. Während die Initiative vorsah, dass die Stadtregierung dem Gemeinderat jährlich über die Umsetzung des Bauprogramms Bericht erstattet, wird der Stadtrat durch den Gegenvorschlag nun verpflichtet, das Parlament vorausblickend für die nächsten drei Jahre zu informieren.

Die Stadt Zürich kann im Seefeld eine Siedlung mit 122 Wohnungen zu moderaten Mietzinsen sowie mit Räumen für Gewerbe und Kinderbetreuung bauen. Die Stimmberechtigten sagen deutlich Ja zu einem Kredit von 100,7 Millionen Franken für die Siedlung Hornbach. 63'197 legten ein Ja in die Urne, 32'928 ein Nein. Erste Mieter – vorwiegend Familien – können voraussichtlich im Winter 2017/18 einziehen.

Stadt und Kanton Zürich ziehen ins Landesmuseum ein. In drei Räumen wird eine Dauerausstellung eingerichtet, in denen Zürich über sich selbst erzählen kann. Die Stimmberechtigten der Stadt haben die Vorlage «Zürich im Landesmuseum» mit 63,5 Prozent Ja-Stimmen klar angenommen. 60'022 legten ein Ja in die Urne, 34'451 ein Nein. Die Stimmbeteiligung betrug 44 Prozent. Abgestimmt wurde über einen Kredit von 1,76 Millionen Franken und über jährlich wiederkehrende Betriebsbeiträge von 300'000 Franken.

Die Schülerinnen und Schüler der Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ) können künftig im ehemaligen Konservatorium an der Florhofgasse 6 den Unterricht besuchen. Die Stadt Zürich kauft das Konsi-Gebäude für 30,1 Millionen Franken und baut es für 3,5 Millionen Franken um. Das Zürcher Stimmvolk hat heute ein klares Ja zum Kauf der Liegenschaft in die Urne gelegt: 69'718 stimmten der Kreditvorlage zu, 24'350 lehnten sie ab.

Das Stadtwerk Winterthur kann sein Energie-Contracting-Geschäft weiter ausbauen: Das Stimmvolk hat mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 69,95 Prozent einem Rahmenkredit von 70 Millionen Franken deutlich zugestimmt. 18'866 Personen waren für den Rahmenkredit, 8106 lehnten die Vorlage ab. Die Stimmbeteiligung betrug 41 Prozent. Beim Energie-Contracting finanziert das Stadtwerk beispielsweise Heizzentralen oder Kühlanlagen und verkauft danach Wärme respektive Kälte. Die Abnehmer müssen so nicht selbst hohe Investitionen tätigen, sie gehen einzig langfristige Abnahmeverträge ein. Inzwischen betreut Stadtwerk Winterthur weit über 200 Kundenobjekte zwischen Zürichsee und Bodensee.

Die Resultate zu den Vorlagen der verschiedenen Gemeinden finden Sie hier.

Quelle: Mit Elementen der Nachrichtenagentur SDA) (Tagesanzeiger.ch/Newsnet

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Montag, 8. Juni 2015

«Nicht bei Radio Beromünster»

Bundesrätin Doris Leuthard verteidigt die Online-Aktivitäten der SRG und sagt, was sie von der Kampagne um die Medienabgabe hält. 

 

«Davon profitieren alle»: Doris Leuthard über die SRG und den Service public. Foto: Sabina Bobst 
«Davon profitieren alle»: Doris Leuthard über die SRG und den Service public. Foto: Sabina Bobst

 
Kennen Sie den Comic des Gewerbeverbands, der Sie und SRG-Generaldirektor Roger de Weck als Langfinger karikiert?
Ich habe ihn gesehen, ja.


Finden Sie ihn lustig?
Sagen wir es so: Als Bundesrätin ist man sich inzwischen einiges gewohnt. Ich wurde von den Jusos auch schon mit blutigen Fingern gezeigt. Ich finde eigentlich, Verbände sollten sich nicht auf ein solches Niveau herablassen. Es ist unschweizerisch, mit Übertreibungen auf Personen zu zielen. Der Gewerbeverband muss selber wissen, ob das künftig sein Stil ist oder ob das jetzt ein Ausrutscher war.


Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler kandidiert für den Nationalrat, wo Sie vielleicht zusammenarbeiten müssen. Geht das noch?
Das müssen Sie ihn fragen. Ich versuche, alle gleich zu behandeln. Aber man hat mit Parlamentariern mal ab und an einen Streit. In der Politik gilt es das auszuhalten. Persönliche Animositäten liegen nicht drin. Es muss um die Sache gehen.


Also zur Sache. Das Radio- und Fernsehgesetz betrifft direkt das Geschäft der Verleger. Wie zufrieden sind Sie mit der Berichterstattung von uns Zeitungen über die Vorlage?
Wird denn über die Vorlage berichtet? (Lacht.) Es wurde eine Debatte über den Service public angezettelt, die mit der Abstimmung nichts zu tun hat. Ich weiss, dass die Zeitungen in einer Strukturkrise stecken und beim Internet mit der SRG in Konkurrenz stehen. Wenn man die SRG schwächt oder ihr Werbung wegnimmt, dann wandert diese aber nicht einfach in ein Lokalradio oder in eine Zeitung. Auch hat niemand etwas davon, wenn wir an einem veralteten Inkassosystem festhalten. Geschwächt würden die privaten Radio- und Fernsehsender, weil weniger Geld für sie zur Verfügung stünde. Die Revision sieht ja vor, die Privaten auf Kosten der SRG zu stärken.


Zuerst über den Auftrag diskutieren, dann über die Finanzierung: Diese Forderung können Sie sicher nachvollziehen.
Wenn wir dem Systemwechsel zustimmen, dann sinken die Fernsehgebühren für 3 Millionen Haushalte von 460 auf 400 Franken. Bei einem Ja wird es für die meisten billiger. Die Service-public-Debatte wird hingegen Jahre dauern. In dieser Zeit würden 3 Millionen Haushalte zu viel zahlen.


So gewaltig ist der finanzielle Anreiz nun auch wieder nicht. Die Gebühr sänke um gerade mal 60 Franken.
Als es um die Autobahnvignette ging, galt ein Aufschlag von 60 Franken noch als Weltuntergang . . . Für viele Haushalte ist die Reduktion von Bedeutung, viele zahlen ja auch noch eine Zeitung.


Sie geben uns Gewähr, dass es in 10 Jahren noch 400 Franken sind?
Wahrscheinlich sogar weniger, bei 390 Franken. Es entfällt ja laut Bundesgericht die Mehrwertsteuerpflicht, das wird das Parlament wohl anpassen. Und die Zahl der Haushalte wird eher zunehmen. Auch die SRG verlangt nicht mehr Geld, und ich sähe auch keine politische Mehrheit dafür. Leute in Altersheimen oder Studentenwohnheimen zahlen im neuen System übrigens gar nichts mehr. Für Hörbehinderte gibt es ebenfalls Verbesserungen.


Dafür können Leute ohne Empfangsgerät der Abgabe nicht mehr entrinnen.
Heute sind 5 Prozent der Haushalte nicht bei der Billag angemeldet. Ein paar Tausend mögen tatsächlich über keinerlei Empfangsgerät verfügen. Das wird sich mit der Zeit aber weiter verändern. Bei einer so kleinen Zahl macht es Sinn, zu einer unbürokratischen, allgemeinen Abgabe zu wechseln.


Immerhin einige Tausend. Wieso sollten die für ein Angebot zahlen, das sie nicht nutzen?
In unserem Staat gibt es nun einmal gewisse Grundleistungen, die wir alle mitfinanzieren, auch wenn wir sie persönlich nicht direkt nutzen.


Über die Steuern. Doch betonen Sie ja, die SRG-Gebühr sei keine Steuer.
Es handelt sich um eine Abgabe, eine Spezialabgabe. Das ändert nichts an der Sache: Die Berichterstattung über die Politik, Wirtschaft, über das Wetter, über die Kultur – das alles sind Grundleistungen, die erbracht werden müssen. Sie verursachen Kosten, davon profitieren aber auch alle.


Also eben doch eine Steuer.
Nein, eine Steuer wäre voraussetzungslos geschuldet. Bei einem grossen Teil der Wirtschaft ist das nicht der Fall: Die Firmen zahlen nur, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind, erst ab einer halben Million Umsatz. 75 Prozent der Unternehmen liegen darunter und sind so von der Abgabe befreit, weitere 9 Prozent zahlen weniger als heute.


Über den Service public wollen Sie später debattieren. Wir meinen: Diese Debatte verläuft bei einem Nein am 14. Juni anders als bei einem Ja.
Aber wieso denn?


Heute beruht die Finanzierung auf Freiwilligkeit. Mit einem Ja wird sie der SRG ad infinitum zugesichert. Das nimmt Druck weg, die Service-public-Frage zu klären.
Das sehe ich anders. Es geht am 14. Juni einzig um das Inkassosystem. Die SRG erhält in beiden Fällen 1,2 Milliarden Franken, heute muss ja auch bezahlen, wer ein Gerät hat. Die Last wird bei einem Ja aber auf mehr Schultern verteilt, und so sinkt die Abgabe für die meisten.


Die Abstimmung hat symbolische Bedeutung. Ein Nein wäre ein Schuss vor den Bug.
Ein teurer Schuss vor den Bug von 3 Millionen Haushalten.


Sie kritisieren den Zeitpunkt – aber wie finden Sie die Service-public-Debatte inhaltlich? Können Sie etwas davon mitnehmen für später?
Nein, mir scheint die Diskussion sehr kakofon. Herr Bigler möchte Sportsendungen streichen. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen will Swisspop abschalten und stellt SRF 3 infrage – was sich finanziell kaum auswirken würde. Wieder andere wollen alle Unterhaltungssendungen rauskippen. Das hilft nicht viel. Seit ich mein Departement führe, kommt in fast jeder Parlamentssession eine Frage, weshalb der «Tatort» so schlecht gewesen sei oder weshalb man diesen oder jenen Match nicht auf SRF 1 übertragen habe . . .


Die Quintessenz aus der Kakofonie könnte lauten: Man kann ziemlich viel streichen und den Service-public-Begriff eng definieren.
Dann bliebe plötzlich nicht mehr viel übrig. Die Debatte zeigt doch vor allem, dass es keinen Konsens gibt. Wir wollen darum sauber analysieren, inwieweit der heutige Verfassungsartikel noch berechtigt ist. Radio und TV müssen heute zur Bildung, kulturellen Entfaltung, Information und Unterhaltung beitragen. Man kann das ändern, muss dann aber auch Gesetz und Konzession anpassen und wissen, welches die Folgen wären. Es gibt Staaten, die den Service public stark reduzierten oder wie die USA alles dem Markt überlassen. Es braucht gründliche internationale Vergleiche – dann können wir auf guter Grundlage debattieren.


Wir gehen eine Wette ein, dass das Fazit dieser Berichte lauten wird: Der Service public der SRG ist angemessen, Einschränkungen wären fehl am Platz.
Warum glauben Sie das?


Die SRG hat einen ausgezeichneten Rückhalt bei Ihnen, in der Verwaltung und im Parlament.
Das ist jetzt wieder die Sicht der Verleger, die hier zum Ausdruck kommt. Wir führen mit der SRG immer wieder intensive Gespräche. Ich habe von den Kritikern noch keinen klugen Vorschlag gehört, nach welchen Kriterien was gestrichen werden soll.


Sagen Sie uns einen.
Es wäre komplett verkehrt, wenn ich jetzt unsere Analysen vorwegnehmen würde. Es gibt auch noch Unwägbarkeiten in der Zukunft, etwa eine Volksinitiative, bei der es auch um den Service public geht.


Die Verleger ärgern sich vor allem über die Onlineaktivitäten der SRG. Soll sie wirklich eine Gratiszeitung im Netz betreiben dürfen?
Wir haben diesen Bereich genau reguliert, weil sich Verleger und SRG nicht einigen konnten. Grundsätzlich soll man nicht verhindern, dass ein Medium die neuen Technologien nutzt. Der SRG sind aber sowohl publizistisch als auch wirtschaftlich Schranken gesetzt. Werbung ist verboten, und bei den Zeichen pro Artikel gilt eine strikte Obergrenze. Private Anbieter sind viel freier.


Das System ist kompliziert. Eine reine Audio- und Videothek im Internet würde doch genügen. Der Auftrag lautet, Radio und Fernsehen zu machen . . .
Sie wollen einem Medienhaus ernsthaft die Onlinewelt versperren? Das ist von vorgestern, wir sind ja nicht mehr bei Radio Beromünster. Es ist doch richtig, dass die SRG darauf reagiert, dass das ­Internet immer bedeutender wird. Ich würde mir viel mehr wünschen, dass die SRG und die Privaten im Netz stärker zusammenarbeiten.


Sie rezitieren gerade das Mantra von SRG-Generaldirektor de Weck.
Das hat nichts mit Mantra zu tun, sondern mit Notwendigkeiten. Diese Zusammenarbeit gibt es in allen europäischen Ländern.


Interviews mit Ihnen verlaufen oft nach dem gleichen Schema: Es kommen kritische Fragen zur SRG, und Sie verteidigen sie. Gibt es nichts, was Sie an dem Betrieb stört?
Jede und jeder kennt Fernsehsendungen, die ihm nicht gefallen – auch ich. Es ist aber nicht an mir als Politikerin, die SRG-Programme zu kritisieren. Die Programmautonomie ist in der Verfassung verankert.


Trotzdem: Sie werden als Glücksfall für die SRG bezeichnet. Die Bande zwischen der SRG und Ihrer Partei, der CVP, sind traditionell eng.
Ach herrje … das sind doch Klischees wie «Alle Journalisten sind links». Die bundesrätliche Medienpolitik hat wirklich nichts mit Parteipolitik zu tun. Im Übrigen sassen in den Führungsgremien der SRG nie bloss CVP-Politiker. Im Verwaltungsrat ist auch ein SVP-Vertreter, der frühere Präsident gehört zur FDP.


SRG-Präsident Raymond Loretan tritt zurück, weil ihn die CVP für den Ständerat nominiert hat. Wie beurteilen Sie seine Leistung? Und was sagen Sie zu seinem Abgang?
Die ganze Medienbranche ist ja im Umbruch. Davon ist auch die SRG betroffen. Zugleich mit unterschiedlichen Ansprüchen aller Sprachregionen umzugehen, hat er geschickt gemacht. Wenn jemand in die Politik wechseln will, ist das zu respektieren.


Falls es am 14. Juni ein Nein gibt, geht Ihnen nach der Vignette erneut eine Abstimmung verloren. Haben Sie dann im Herbst noch einmal Lust auf eine neue Legislatur?
Es haben ein paar Bundesräte schon ­gewichtigere Abstimmungen verloren. Aber wollen Sie mich zum Rücktritt auffordern? Ich finde diese Personalisierungen etwas problematisch. Der Bundesrat ist ein Kollegium und gewinnt oder verliert jede Vorlage gemeinsam. Ich bin immer noch motiviert.


Quelle: Tages-Anzeiger 29.05.2015

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Montag, 1. Juni 2015

Allgemeine Aspekte des Rechts

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Spezielle Rechtsarten:
  • Arbeitsrecht
  • Familienrecht
  • Kaufrecht
  • Mietrecht
  • Steuerrecht
  • Versicherungsrecht
Quelle: Aspekte der Allgemeinbildung, Verlag Fuchs, 2011

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