Montag, 30. November 2015

So viel gaben die Parteien pro Stimme aus


Die Zuercher FDP-Nationalratskandidatin Regine Sauer strahlt in ihrem Walkampffahrzeug beim Wahlauftakt der FDP des Kanton Zuerich in Dietlikon am Mittwoch, 26. August 2015. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Buhlen um jede Stimme: Die Zücher FDP-Nationalratskandidatin Regine Sauter strahlt in ihrem Walkampffahrzeug in Dietlikon. Foto: Keystone

Die FDP liess sich den Wahlkampf 2015 einiges mehr kosten als noch vor vier Jahren. Insgesamt gab die Partei über 9 Millionen Franken für Werbung aus. 2011 waren es 8,2 Millionen gewesen. Dies zeigen Zahlen, die SRF anhand von Angaben des Marktforschungsinstituts Media Focus publiziert hat. Der finanzielle Mehraufwand hat sich ausgezahlt: Die Freisinnigen konnten ihren jahrelangen Abwärtstrend bei den eidgenössischen Wahlen stoppen und um 1,3 Prozent zulegen – allerdings zu einem hohen Preis. Fast 22 Franken kostete sie eine Wählerstimme. Damit gab die FDP im Verhältnis klar mehr aus als die anderen Parteien.

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Die Kosten pro Stimme lassen sich anhand der Werbeausgaben der Parteien und der Anzahl Wählender ermitteln, die sie für sich mobilisieren konnten. Angaben zu Letzteren hat das Bundesamt für Statistik auf Anfrage des Datenblogs berechnet. Demnach hat die SVP mit gut 14 Franken am zweitmeisten ausgegeben, die CVP investierte gut 11 Franken für eine Stimme und landet auf Platz drei. Macht man diese Kosten-Nutzen-Rechnung, schneidet die FDP im diesjährigen Wahlkampf am schlechtesten ab – und das, obwohl sie mit gut 9 Millionen Franken nicht einmal am meisten für Reklame aufwendete.

Die SVP hat wie vor vier Jahren den teuersten Wahlkampf aller Parteien geführt: 10,6 Millionen Franken investierte sie in Print-, Internet- und Plakatreklame. Im Gegensatz zur FDP, die ihre Werbeausgaben erhöhte, gab die SVP im Vergleich zu 2011 allerdings fast 2 Millionen weniger aus und konnte bei den Wähleranteilen (+2,8 Prozent) dennoch mehr zulegen als die Freisinnigen. Folglich war eine Stimme für die Gewinnerin der Wahlen 2015 weniger teuer.

Auch SP und CVP haben ihre Wahlkampfmittel im Vergleich zu 2011 gekürzt – mit unterschiedlichen Auswirkungen. Die Sozialdemokraten konnten trotz Sparkurs leicht zulegen (+0,1 Prozent). Sie setzten heuer auf eine unkonventionelle Telefonkampagne im Stil von US-Wahlkämpfen an. Diese kostete im Gegensatz zu Print-, Internet- und Plakatreklame nichts, weshalb die SP mit gut 5 Franken vergleichsweise sehr wenig pro Stimme ausgab. Die Christdemokraten hingegen wurden dafür bestraft, dass sie 1,6 Millionen Franken bei der Werbung sparten. Sie büssten 0,7 Prozent Wähleranteile ein und konnten ihre Talfahrt bei eidgenössischen Wahlen nicht stoppen.

Die anderen Mitteparteien gehören ebenfalls zu den Verlierern, auch bezüglich der Kosten-Nutzen-Rechnung. BDP und besonders GLP haben sich den Wahlkampf 2015 deutlich mehr kosten lassen als denjenigen im Jahr 2011, als beide zu den Gewinnern gehörten. Die Grünliberalen beispielsweise erhöhten ihr Werbebudget um 60 Prozent – deutlich mehr als alle anderen Parteien. Dennoch verloren sie wie auch die BDP Wähleranteile. Dasselbe gilt für die Grünen, die am wenigsten Geld für Werbemassnahmen aufwendeten.

Quelle: Tages-Anzeiger 25.11.15

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Die drei Bundesratskandidaten

Thomas Aeschi, 36

Nationalrat Kanton Zug, Strategieberater, Ökonom. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Nationalrat Kanton Zug, Strategieberater, Ökonom. (Bild: Simon Tanner / NZZ)



Was für ihn spricht: Ist Deutschschweizer.  Hat sich innert kurzer Zeit einen Namen als fleissiger Schaffer gemacht. Gilt als politisches Talent. Findet schnell einen Draht zu seinen Gesprächspartnern.
Was gegen ihn spricht: Wenig zivile Führungserfahrung. Gilt als dossierfest, aber wenig entscheidungsfreudig. Seine engen Kontakte zu Christoph Blocher wirken für viele abschreckend. Seine berufliche Tätigkeit wirft Fragen auf.
Was seine Wahl bedeuten würde: Ein Vertreter der neuen SVP, die sich konziliant im Ton, aber hart in der Sache gibt, zöge in den Bundesrat ein. Die SVP-Zentrale würde einen direkten Draht in die Landesregierung erhalten.
Von wem er Stimmen erhalten wird: SVPler des inneren Zirkels, Zentralschweizer Parlamentarier, Romands und Tessiner, die sich selbst Chancen ausrechnen, zu einem späteren Zeitpunkt Bundesrat zu werden. 

Guy Parmelin, 56

Nationalrat Kanton Waadt, Weinbauer. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Nationalrat Kanton Waadt, Weinbauer. (Bild: Simon Tanner / NZZ)


Was für ihn spricht: Gilt als dossierfest, umgänglich und kollegial. Verfügt über eine langjährige Erfahrung als Nationalrat. Steht Christoph Blocher nicht sonderlich nahe.
Was gegen ihn spricht: Hat kaum Führungserfahrung vorzuweisen und gehört innerhalb der SVP nicht zu den tonangebenden Stimmen. Wirkt eher hinter den Kulissen als an der Front.
Was seine Wahl bedeuten würde: Die französischsprachige Schweiz wäre mit drei Bundesräten in der Landesregierung (über)vertreten. Ein SVP-Mann alter Schule - ohne direkten Draht zur Parteizentrale - würde zum Bundesrat gewählt.
Von wem er Stimmen erhalten wird: Von vielen Romands, von linken Parlamentariern, von Bauern und von Leuten, welche die SVP in der Westschweiz besser verankern möchten.

Norman Gobbi, 38

Tessiner Regierungspräsident (Lega), Justiz- und Polizeidirektor, Kommunikationsfachmann (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Tessiner Regierungspräsident (Lega), Justiz- und Polizeidirektor, Kommunikationsfachmann (Bild: Simon Tanner / NZZ)


Was für ihn spricht: Kandidat der italienischen Schweiz, die nach 16 Jahren wieder einen Vertreter im Bundesrat hätte. Gilt als glaubwürdiger und effizienter Staatsmann. Setzt sich für allgemeine Werte im Sinne der SVP Schweiz ein.
Was gegen ihn spricht: Vertritt keinen genügend grossen Teil der Schweizer Bevölkerung. Wurde erst kürzlich von der SVP Schweiz «adoptiert»; rechtspopulistischer Hintergrund und erklärter Blocherianer. Würde die Schweiz gegen aussen nicht im günstigsten Licht repräsentieren.
Was seine Wahl bedeuten würde: Die EU-kritische Phalanx würde gestärkt. Dank seiner Muttersprache Italienisch könnte er viel zur Annäherung an Italien beitragen. Gobbi würde sich für einen Ausbau des Sicherheitsapparats einsetzen und zu sozialpolitischen Positionen neigen, die nicht auf der SVP-Linie liegen.
Von wem er Stimmen erhalten wird: Von der Mehrheit der Tessiner, weil die Sehnsucht nach einem eigenen Bundesrat wieder deutlich aufflammt. Von den Romands wohl kaum, und in Bezug auf Deutschschweizer SVP-Kreise besteht keine eindeutige Tendenz.

Legislatur der knappen Mehrheiten

Sozialstaat- und Umweltanliegen dürften es im neuen Parlament schwerer haben. Eine konservative Wende zeichnet sich nicht ab. 


Das Parlament mag zwar nach rechts gerückt sein. Dass seine Entscheide in Zukunft konservativer ausfallen, ist dagegen nicht zu erwarten. Foto: Keystone

Das Parlament mag zwar nach rechts gerückt sein. Dass seine Entscheide in Zukunft konservativer ausfallen, ist dagegen nicht zu erwarten. Foto: Keystone

Seit dem vergangenen Sonntag ist die neue Bundesversammlung komplett. Damit lassen sich auch die politischen Profile der beiden Räte verlässlich vergleichen: Bei welchen Themen besteht Einigkeit, wo liegt Konfliktpotenzial, und wie ist die Entwicklung seit den Wahlen von 2011 einzuschätzen? Bisherige Einordnungen der Wahlergebnisse vom Oktober haben den Ständerat zumeist ausser Acht gelassen. Einerseits sind mehr als ein Drittel der Sitze zunächst unbesetzt geblieben. Anderseits geniessen die Ständeratsmitglieder aufgrund der Majorzwahl oft eine erhöhte Unabhängigkeit von ihrer Parteiführung. So fällt denn auch das Wahlergebnis bei der kleinen Kammer weniger eindeutig aus als beim Nationalrat: Zwar hat ebenfalls eine Stärkung rechtsbürgerlicher Parteien stattgefunden, anders als im Nationalrat sind diese jedoch weit von einer Mehrheit entfernt.
Eine rein parteiarithmetische Sichtweise ist aber ohnehin unsinnig. Etliche CVP-Ständeräte, so zum Beispiel die beiden Walliser, sind deutlich rechtsbürgerlich positioniert. Demgegenüber finden sich in der FDP zwei Linksfreisinnige aus der Romandie. Bekannt ist auch, dass die SP-Politiker Claude Janiak, Daniel Jositsch und Pascale Bruderer nicht immer der Parteilinie folgen. Gleiches gilt für einige SVP-Ständeräte. Der Schaffhauser Thomas Minder schliesslich, obwohl Teil der SVP-Fraktion, agiert autonom. Mit dem parteipolitischen Zählrahmen ist das Profil des Ständerats also nicht zu erfassen.

Konflikte zwischen den Räten
Ein realitätsnahes Bild ergeben daher einzig die konkreten politischen Positionsbezüge. Um herauszufinden, ob der neue Ständerat den Positionen des Nationalrats folgt oder vermehrt sein eigenes Süppchen kocht, bieten die Antworten der gewählten Parlamentarier auf die 75 Fragen der Online-Wahlhilfe Smartvote eine gute Datenbasis.

Die Auswertung belegt: Die voraussichtlichen Mehrheitspositionen im National- und im Ständerat unterscheiden sich nur bei acht Smartvote-Fragen. Allein diese Zahl verdeutlicht, dass ernsthafte Blockaden zwischen den Kammern kaum zum Alltag der kommenden Legislatur gehören werden. Relevanter als die blosse Anzahl ist die politische Bedeutung der Themen, bei denen Differenzen zutage treten. So wird etwa bei folgenden wichtigen Fragen wahrscheinlich Uneinigkeit bestehen:
Erhöhung des Rentenalters: Die Befürworter einer Erhöhung haben im Nationalrat eine eher knappe Mehrheit, während im Ständerat ein Nein resultiert. Die Chancen, dass der Ständerat der Rentenaltererhöhung im Rahmen ­einer Paketlösung bei der AHV-Reform zustimmt, sind indes intakt. Die kleine Kammer befindet sich somit in einer guten Position, um bei der Ausgestaltung dieser Paketlösung ihren Stempel aufzudrücken.

  • Steuersenkungen: Eine ebenfalls relativ knappe Mehrheit unter den Nationalratsmitgliedern befürwortet Steuersenkungen auf Bundesebene. Im Ständerat sind die Vorzeichen umgekehrt. Spürbare Steuerentlastungen dürften es auch wegen der düsteren finanziellen Aussichten des Bundes für die nächsten Jahre eher schwer haben.
  • Liberalisierung der Geschäftsöffnungszeiten: Eine Deregulierung der Ladenöffnungszeiten ist im Nationalrat mehrheitsfähig, im Ständerat hingegen ist diese kaum durchzubringen. Der Nationalrat dürfte daher die hängige Vorlage zur teilweisen Liberalisierung annehmen, der Ständerat zum wiederholten Male ablehnen.
  • Verschärfung des Jugendstrafrechts: Eine knappe Mehrheit der grossen Kammer würde längere Haftstrafen in geschlossenen Anstalten für jugendliche Straftäter befürworten. Eine ebenso knappe Mehrheit im Ständerat lehnt dies ab. Wie sich das Parlament im konkreten Fall entscheiden würde, ist daher völlig offen.
  • Akzentverschiebung nach rechts
  • Aufschlussreich ist zudem der Vergleich mit den vorletzten Wahlen von 2011. Aufgrund der Auswertung der damaligen Smartvote-Antworten waren 2011 beide Räte noch klar gegen eine Rentenaltererhöhung. Auch Forderungen nach Steuersenkungen auf Bundesebene oder für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts verfügten in keiner der beiden Kammern über eine Mehrheit. Sozial­staats- und Umweltschutzanliegen werden es im neuen Parlament schwerer haben als bisher; dies zeigt sich unter anderem daran, dass sich die im Ständerat 2011 noch mögliche Mehrheit zugunsten einer Einführung von Familien-Ergänzungsleistungen inzwischen verflüchtigt hat.
  • Die politische Verschiebung im Nationalrat zeigt sich auch am Beispiel der Schutzbestimmungen für Grossraubtiere. Nach den vorletzten Wahlen war die grosse Kammer gemäss Smartvote-Antworten noch mehrheitlich gegen eine Aufweichung. Nach den Wahlen 2015 spricht sich in beiden Räten eine Mehrheit dafür aus.
Bilaterale haben weiter Vorrang
Insgesamt betrachtet, dürfte es speziell im Nationalrat erneut eine Legislatur der knappen Mehrheiten werden – diesmal mit leichten Vorteilen für Mitte-rechts. Das Parlament mag zwar nach rechts gerückt sein. Dass seine Entscheide in Zukunft konservativer ausfallen, ist dagegen nicht zu erwarten. Dies zeigt sich bei gesellschaftspolitischen Themen, aber auch bei solchen mit aussen- und migrationspolitischem Bezug. So haben Erleichterungen bei der Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation in beiden Räten gute Chancen. Auch die vermehrte Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen findet im Ständerat eine relativ klare Mehrheit, die grosse Kammer lehnt sie nur noch knapp ab. Beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und der aktiven Sterbehilfe ist im Vergleich zu 2011 zumindest eine deutliche Tendenz zu gesellschaftsliberaleren Haltungen erkennbar. 

Eine klare Kante zeigt das Parlament in den aussenpolitischen Schicksalsfragen der nächsten Jahre: Der Vorrang der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Schengen-Abkommen und die Priorität der Bilateralen gegenüber der strikten Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sind im National- und Ständerat nach wie vor unbestritten. 

* Daniel Schwarz ist Co-Projektleiter der Wahlplattform Smartvote. Die Studie basiert auf den politischen Profilen von 188 Nationalrats- und 41 Ständeratsmitgliedern. Fehlende Profile wurden durch den Mittelwert der jeweiligen Fraktion ersetzt.
 
Quelle: Tages-Anzeiger 23.11.15

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Sonntag, 15. November 2015

Abschluss VA - Präsentationen - Tipps

Die Präsentationen der Vertiefungsarbeit finden - in Anwesenheit aller KursteilnehmerInnen und der Kursleitung, aber ohne Externe - statt am 23. November 2015. Tipps / Zeitplan / Bewertung:
  • Tipps zur Präsentation
    • Vortrag soll rund zehn Minuten dauern, anschliessend Rückfragen Kursleitung und Diskussion mit KursteilnehmerInnen (eine/ein KoreferentIn) - 15 bis 20 Minuten insgesamt.
    • Vorbereitung: Präsentation ein- bis mehrmals zuhause oder vor dem Spiegel / mit Videoaufnahme / im Wald (!) üben - auch zur Abschätzung des Zeitbedarfs!
    • Begleitmedien verwenden wie: 
      • Power-Point-Präsentation (auf UBS-Stick mitbringen) 
      • Folien (mitbringen) zur Projektion am Hellraumprojektor - Filzstifte sind vorhanden
      • vorbereitete Flip-Charts (oder erstellen während der Präsentation) 
      • weitere Illustrationsmaterialien wie grossformatige Fotos, Gegenstände zum Rumreichen etc.
      • beispielhafte Handlungen in Zusammenhang mit Thema (wie Halsmassage) vorzeigen.
      • Eigene Ideen nach Belieben
    • Nicht vergessen: Sprechen mit Blickkontakt zu Zuhörerschaft, nicht ablesen (nur Stichworte vormerken), Mut zur Pause 
    • Bewertung gemäss Schema in Wegleitung resp. siehe hier >>>
  • Reihenfolge am 23. November (ab 13.30h)
    • xxxx
    • Bewertung




      Quelle: Wegleitung zur Vertiefungsarbeit S. 13 & 14 


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Montag, 9. November 2015

Rund um Literaturpreise - nach Verleihung des schweizerischen

Der Roman «Eins im Andern» von Monique Schwitter ist mit dem Buchpreis ausgezeichnet worden. Keine Überraschung, aber ein Fest.

 

Bevor die Jury entschied, wurde dreieinhalb Stunden diskutiert: Die Gewinnerin des Schweizer Buchpreises 2015, Monique Schwitter. (28. August 2015)

Bevor die Jury entschied, wurde dreieinhalb Stunden diskutiert: Die Gewinnerin des Schweizer Buchpreises 2015, Monique Schwitter. (28. August 2015) Bild: Christian Beutler/Keystone

«Wunderbar!»: Das war das Wort, das der völlig überwältigten Trägerin des Schweizer Buchpreises 2015, Monique Schwitter. So wunderbar sei die Musik des Streichtrios gewesen, dass sie während der angespannten Stunde von 11 Uhr bis zwölf Uhr fast vergessen habe, wieso sie da eigentlich im Foyer des Theaters Basels sitze. Wunderbar sei zudem die spürbare Wertschätzung von Literatur gewesen, die aus der Würdigung jedes einzelnen Buchs gesprochen habe; wunderbar seien natürlich die nominierten vier Kollegen, vor denen sie sich verbeuge.

Und ganz ergriffen habe sie ein Hinweis von Jurorin Susanna Petrin: Diese habe mit Blick auf das Buch etwas entdeckt, was ihr, Schwitter, gar nicht gewusst war. Dass nämlich das Morsealphabet – mit dem der gekonnt gebaute Roman «Eins im Andern» spielt – zwischen den Wörtern «Leben» und «Lieben» nur zwei Punkte Unterschied kennt. Mit dieser Beobachtung hat Petrin einen wesentlichen Aspekt der «Memento-Mori»-summenden Schwitterschen Liebesrecherche buchstäblich auf den Punkt gebracht: einen Aspekt, der schon die Jury des Deutschen Buchpreises begeistert hatte – weshalb sie Schwitters zweiten Roman gleichfalls auf die Shortlist hob, auch wenn der Preis am Ende an Frank Witzel ging. Dem (wunderbaren) Entdecker und Verlagslektor Rainer Götz des feinen Grazer Literaturverlags Droschl schliesslich widmete die 43-jährige gebürtige Zürcherin und Wahl-Hamburgerin Schwitter ihren Preis.

Eine rundum harmonische Preisübergabe, die bei den rund 400 Besuchern der Veranstaltung keine Überraschung auslöste, genausowenig wie die Laudatio, welche die «facettenreiche Darstellung einer Liebesbiographie – kräftig, humorvoll und nachdenklich» pries. Im Grunde erfüllte die Entscheidung, die 30 000 Franken Preisgeld Schwitter zuzusprechen, genau jene Wünsche, die Jens Stocker, Mitinhaber der Basler Buchhandlung Bider & Tanner, vorher im Gespräch mit der Moderatorin Luzia Stettler, Literaturredaktorin SRF, angedeutet hatte: gerne einen bekannten Namen und – nach den Preisträgern Ilma Rakusa (2009), Melinda Nadj Abonji (2010) und Catalin Dorian Florescu (2011) – nicht unbedingt einen «migrationslastigen» Titel. Die Shortlist 2015 sei diesbezüglich mit ihren drei Migrationsbüchern ein wenig unausgewogen (Martin R. Dean: «Verbeugung vor Spiegeln», Dana Grigorcea: «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit», Meral Kureyshi: «Elefanten im Garten»; sie erhielten, wie auch Ruth Schweikert für ihren Roman «Wie wir älter werden», den zweiten, mit 2500 Franken dotierten Preis). 
Jury: kein herausragender Jahrgang

Umso spannender wars, wie Jurysprecherin Corina Caduff aus dem Nähkästchen plauderte: Die dreieinhalbstündige finale Sitzung habe völlig ergebnisoffen begonnen; man habe diskutiert, verworfen, von Neuem begonnen, gerungen. 2015 sei ja weder quantitativ noch qualitativ ein besonders herausragender Jahrgang gewesen. Man fragte sich an dieser Stelle freilich, ob der eine oder andere vielversprechende Titel womöglich gar nicht eingereicht worden war.

Wobei es zumindest aus der Statistik kleine Superlative zu vermelden gibt: 90 Titel wurden eingereicht, soviele wie noch nie (in den letzten fünf Jahren waren es im Durchschnitt knapp 80). Ein Rekördli ist auch die Teilnahme von 32 schweizerischen Verlagen (in den letzten 5 Jahren waren es durchschnittlich 25), während die Teilnahme deutscher Verlage sich tendenziell nach unten bewegt (heuer 13). Werden schweizerische Autoren in Deutschland derzeit eventuell weniger verlegt? Schön jedenfalls, dass der kleine österreichische Droschl-Verlag (es gab nur 6 austriakische Vertreter) bereits zum zweiten Mal in die Kränze gekommen ist. Alles in allem wars wirklich wunderbar.  

Quelle: Tagesanzeiger.ch/Newsnet 9.11.15

Weitere Artikel siehe:
NZZ: http://www.nzz.ch/feuilleton/kraeftig-und-nachdenklich-1.18643240  
Literaturnobelpreis: http://www.nzz.ch/feuilleton/swetlana-alexijewitsch-wird-ausgezeichnet-1.18626410 
Alle Literaturpreise: https://de.wikipedia.org/wiki/Nobelpreis_f%C3%BCr_Literatur  

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